Die Volpersdorfer Plänel

Eine Eigentümlichkeit des Eulengebirges sind die „Plänel (im Grafschafter Volksmund „Planlaan" genannt), abgeleitet von der früher gebräuchlichen Bezeichnung „Plan", d.h. ebene Fläche bzw. freier Platz. Im Eulengebirge gab es diese am Scheitelpunkt der übers Gebirge führenden Straßen oder Wege. Genutzt wurden sie anfangs für die Holzabfuhr, später auch für den Kohlentransport aus den Gruben des Neuroder Reviers. Bekannt sind uns noch das „Hausdorfer Plänel, auch als „Plänel am Kreuz" bezeichnet nach dem dort einst errichteten Hausdorfer Kreuz, an der Straße von Hausdorf nach Steinkunzendorf, des weiteren das „Bielauer Plänel" am Kammweg zwischen Ottenstein und Ascherkoppe gelegen, das „Weigelsdorfer Plänel" am Weg vom Tränkengrund (Ortsteil von Hausdorf) nach Neu-Bielau/Langenbielau und last not least das „Volpersdorfer Plänel". Der Volksmund kannte auch noch andere Plänel, so z.B. ein „Kaltes Plänel" bzw. „Kroatenplänel" am Kammweg zwischen Reimskoppe (unweit des „Hausdorfer Kreuzes") und Sonnenkoppe oder auch ein „Zigeunerplänel" in der Volpersdorfer Gemarkung an der Straße von Waldgrund nach Neudorf. Einige Abschnitte aus dem wechselvollen Geschehen am Volpersdorfer Plänel! hat Hermann Günzel im nachfolgenden Beitrag aufgezeichnet.

An der Volpersdorfer Gemeindegrenze, dort wo sich die Straße von Glatz nach Reichenbach mit dem Kammweg kreuzt, liegt in 711m Höhe das „Volpersdorfer Plänel". Seit Alters her war hier ein Holzverladeplatz. Als sich die Steinkohleförderung der Rudolfgrube in Köpprich steigerte und der Kohleverkauf über das Gebirge „ins Land" (in die schlesische Ebene) zunahm, errichtete man auf dem Volpersdorfer Plänel eine Kohlenniederlage. Grafschafter Fuhrleute brachten die Kohle über die „Alte Kohlenstraße" von Köpprich zum „Kohle Plänel", wie es damals genannt wurde. Fuhrleute „aus dem Lande" holten das „schwarze Gold" von dort ab und verbrachten es nach Langenbielau, Reichenbach und noch weiter. Frau Kleine aus Volpersdorf erinnert sich  noch an die Erzählungen ihres Urgroßvaters Dimter, der den Kohleverkauf auf dem Plänel regelte. Er wurde 1825 auf dem Plänel geboren und wohnte dort mit seiner Familie in einem massiven Haus, zu dem auch einige Nebengebäude gehörten. Er betreute die Verladeeinrichtungen bis 1888.

Für die Familie brachte dieses Leben auch einige Erschwernisse mit sich. So mußten die Kinder zu Fuß in die Volpersdorfer Schule gehen (mehr als 5 km), und als einmal wegen Typhus ein Arzt benötigt wurde, mußte dieser mit einer Kutsche von Neurode anreisen. Die verordneten Medikamente holte dann ein Kind aus einer Neuroder Apotheke, alles zu Fuß. Die Nachfolge Dimters trat sein Schwiegersohn an, Herr Stiller, der 1857 in Neudorf geboren wurde. Dieser hat den Kohleverkauf weitergeführt und wohnte auch mit seiner kinderreichen Familie an dem Platz. Zu dieser Zeit ergaben sich aber im Kohleabsatz große Veränderungen. 1899 war die Seilbahn von Köpprich nach Kohlendorf zur Rubengrube in Betrieb genommen worden, wo ein Staatsbahnanschluß bestand, und die pro Stunde 20 t Kohle dorthin transportierte. Dies führte schließlich im Jahre 1900 zur Auflösung der Kohlenniederlage auf demVolpersdorfer Plänel. Die Familie Stiller zog daraufhin um ins „Wiesenhaus", einem ebenfalls gräflichen Anwesen, während die Verladeeinrichtungen und das Wohnhaus auf dem Plänel von da an leer standen und verfielen. Am 10. April 1906 meldete der „Langenbielauer Anzeiger": „Das Haus am Volpersdorfer Plänel wird gegenwärtig abgebrochen. Für den Touristenverkehr geht damit leider die günstige Gelegenheit verloren, für die weite Kammstrecke zwischen Zimmermannsbaude und Hahnvorwerk eine Erholungsstätte zu schaffen." Dessen ungeachtet herrschte auf dem Volpersdorfer Plänel nach wie vor eine rege Betriebsamkeit. Holz wurde weiterhin verladen. Der Verkehr auf der wichtigen Straße, die 1846 von Reichenbach bis Volpersdorf gebaut und 1906 gründlich ausgebessert worden war, nahm ständig zu. Regelmäßig verkehrten auf ihr die Fuhrleute, die Garn von den Langenbielauer Fabriken zu den Grafschafter Handwebern hin und die Fertigware zurückbrachten.

In diesem Jahrhundert kam der Autoverkehr hinzu, mit mit dem sich auch der Handel über das Gebirge ausweitete. Die zunehmende Zahl an Wanderern auf dem Kammweg tat ein übriges, so daß sich das Plänel zu einem begehrten Rastplatz entwickelte, der zugleich das Bedürfnis nach Erfrischung und Verpflegung an diesem Ort verstärkte. Der Anlaß zum Bau einer Baude war damit gegeben. Die erste „Volpersdorfer Plänelbaude" war wohl nicht sehr groß, aber das Geschäft blühte. Bald mußte sie einer größeren Platz machen, und am 6. September 1932 berichtete die „Schlesische Volkszeitung", daß der Eulengebirgsverein Reichenbach Besitzer der neuen Baude geworden ist und für deren weiteren Ausbau 4470 Markbewilligte.

Sommer wie Winter herrschte nun emsiger Betrieb. Fuhrleute rasteten hier, und Wanderer wählten diese Stelle als Start und Zielort. An Wochenenden, Sonn und Feiertagen gaben sich viele Spaziergänger und Radfahrer von beiden Seiten des Gebirges ein Stelldichein. Es kamen auch Gesellschaften mit Planwagen es wurden Schulausflüge gemacht und im Winter waren es „Schlittenpartien" mit hellem Schellengeläut. So vergingen die zwanziger und dreißiger Jahre, und die Familie Alke (seit 1935 Betreiber der Baude, zuvor war es Walter Gensel) hatte ein gutes Auskommen. Während der ersten Jahre des zweiten Weltkrieges änderte sich nicht viel. Die Plänelbaude war nach wie vor ein Anziehungspunkt für Spaziergänger, Durchreisende und Wanderer. Als jedoch die Ostfront zusammenbrach und die Rote Armee die Oder überquerte, verstärkte sich der Verkehr über das Plänel. Militärfahrzeuge fuhren nun ständig hin und her. Die Organisation Todt nahm Quartier in der Plänelbaude, um die Panzersperren auf der Gebirgsstraße zu errichten. Nach ihr folgte der Volkssturm, dessen Aufgabe es sein sollte, die Russen abzuwehren. Im Januar und Februar 1945 setzte verstärkt der Flüchtlingsstrom ein. Mit ihren vollbeladenen Pferdewagen und Traktoren quälten sich die Trecks auf der stark vereisten Straße von Tannenberg her über das Gebirge. Im April und Anfang Mai waren es dann die Einheiten der zurückflutenden Wehrmacht. Weil ihnen die Russen auf den Fersen waren, warfen sie allen Ballast ab. Zu beiden Seiten der Plänelstraße türmten sich Unmengen von Kriegsmaterial. Anfang Mai verließ der Volkssturm das Plänel und ohne Widerstand gelangten die Russen bis nach Obervolpersdorf, wo es zu einem kurzen Rückzugsgefecht mit einer deutschen Nachhut kam, bei dem noch zwei Soldaten denTod fanden. Gegen 10 Uhr am 9. Mai fielen die letzten Schüsse.« Der Krieg war zu Ende. Nach der Inbesitznahme der Grafschaft Glatz durch die Rote Armee setzte bald eine Bewegung in umgekehrter Richtung ein. Russische Truppen zogen mit ihrem Kriegsmaterial und Beutegut wieder über das Plänel; riesige Viehherden wurden in Richtung Osten getrieben. Als Begleiter zwang man hierzu deutsche Jugendliche, von denen die meisten nie wieder zurückkehrten. Und schließlich brannten die Russen die Plänelbaude nieder. Heute, reichlich sechs Jahrzehnte danach, steht auf dem Volpersdorfer Plänel eine von den Polen erbaute Schutzhütte für Wanderer. Hin und wieder hört man dort auch deutsche Laute, denn einige Vertriebene wollen nun noch einmal die Wege gehen und die Orte sehen, die sie aus ihrer Kindheit in guter Erinnerung haben. Es ist und bleibt eben ihre Heimat. So hat das Volpersdorfer Plänel im Laufe der Jahrhunderte viele frohe Menschen erlebt, aber auch sehr viel menschliches Leid.

Heute nur eine Schutzhütte für Wanderer


Das Zigeunerplänel von Hermann Günzel

Wenn man von Volpersdorf den Weg nach Neudorf/ Silberberg einschlägt, kommt man nach etwa einem Kilometer nach Waldgrund. Diese Kolonie liegt an der Grenze der Volpersdorfer Gemarkung. Etwa 150 Meter nach dem letzten Haus befindet sich direkt an der Straße, dort wo ein breiter Waldweg ins Gebirge hineinfuhrt, ein großer, freier Platz, auch Plänel genannt. Gelegentlich wurde dieser zur Holzverladung genutzt. Ein Bächlein in unmittelbarer Nähe und eine Abfallgrube am Rande machten diesen Platz zu einer begehrten Raststelle für Fuhrleute und Wanderer. Und weil hier regelmäßig die „fahrenden Leute" die Zigeuner - lagerten, hieß dieser Ort Zigeunerplänel", oder in der Mundart „Zigeinerplanla".

War der Winter vorbei, tauchten die mit Planen überdeckten Pferdewagen auf. Wohl aus den oberschlesischen Winterquartieren kommend, zogen sie über den Silberberger Paß in die Grafschaft Glatz ein. So ertönte dann der Ruf: „Die Zigeiner komma!" Das wirkte wie ein Alarmzeichen. Gänse und Hühner wurden in die Ställe getrieben, die Wäsche von der Leine genommen; und man war doppelt wachsam. Den Zigeunern ging kein guter Ruf voraus. Es wurden schlimme Dinge erzählt, von denen niemand so recht wußte, ob sie stimmten. In Waldgrund haben wir allerdings von alledem nichts beobachtet. Wir Kinder fanden dieses Völkchen interessant. Wenn sie um ihr Lagerfeuer saßen, ertönte schon einmal die berühmte Zigeunergeige. Die Männer handelten mit Pferden, flickten Töpfe und Kessel oder schliffen Messer und Scheren. Die Frauen, die ihre Kinder in Tüchern dicht am Körper trugen, gingen von Haus zu Haus, um wahrzusagen oder zu betteln. Gegen Abend kamen sie zurück und holten das Mitgebrachte zum Teil unter ihren langen Röcken hervor.

Meine Mutter hatte ein weiches Herz; sie gab ihnen immer etwas, ohne daß sie von der angebotenen Wahrsagerei Gebrauch machte. Das Verhältnis unserer Familie zu den Zigeunern war eher freundschaftlich; wir hielten aber Distanz. In unserer Nachbarschaft befand sich die „Saftquetsche", eine Gaststätte mit Landwirtschaft. Der Wirt, kurz „Quetschner" genannt, genoß in den zwanziger Jahren das besondere Vertrauen dieser Leute. Damals durften sie auf einer kleinen Wiese unweit des Gasthauses, im „Quetschenloch", kampieren. Dort haben sogar Hochzeits und Tauffeiern stattgefunden, bei denen der Quetschner Hein auch Trauzeuge und Taufpate war. Das alles spielte sich etwa 50 Meter von unserem Haus entfernt ab, so daß wir und die Waldgründer diese Menschen auch von einer ganz anderen Seite kennengelernt haben. In der Zeit nach 1933 verschlechterte sich die Situation der Zigeuner zunehmend. Sie durften nur noch außerhalb der geschlossenen Ortschaften lagern. Der Wachtmeister begleitete die Fuhrwerke immer bis zur Gemeindegrenze. So wurden die bekannten Plätze auch das Zigeunerplänel immer seltener in Anspruch genommen. Die meisten Angehörigen dieser Volksgruppe sind wohl in Arbeits und Konzentrationslagern als Opfer des Rassenwahns umgekommen.

 

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